Nach zweieinhalb Jahren scheinbarer Untätigkeit der Gemeindeverwaltung brachte KOMM,A Mitte Oktober 2024 einen Antrag zum Thema Bebauungsplan “Östlich der Waldkolonie” in das Gemeindeparlament ein. Ziel des Antrages ist, den Parlamentsbeschluss vom Mai 2022, ein Verfahren zur Änderung des Bebauungsplanes von 2007 vorzubereiten, durch welches der Bebauungsplan überplant werden soll, aufzuheben.
Zum Hintergrund: Entgegen den Vorgaben des Bebauungsplanes “Östlich der Waldkolonie” aus dem Jahr 2007 haben mehrere Eigner das als Ausgleichsfläche ausgewiesene hintere Drittel ihrer Grundstücke – hier auf dem Bild unten – ihrem Garten zugeschlagen bzw. anderweitig genutzt.
[Luftaufnahme der östlichen Bebauung der Waldkolonie, hier direkt oberhalb der Ackerflächen – Quelle: Google Earth, Dezember 2019.]
Im Jahr 2022 brachte Bürgermeister Hennemann die Idee einer “Heilung” ins die Debatte ein, um den Grundstückseignern durch eine Änderung des B-Plans zu ersparen, illegale Einrichtungen auf ihren Grundstücken rückbauen zu müssen. Eine entsprechende Vorlage wurde gegen den Widerstand von KOMM,A durch die Gemeindevertretung mehrheitlich beschlossen.
KOMM,A machte das Thema immer wieder zum Gegenstand politischer Debatten:
Der jetzt eingereichte KOMM,A-Antrag, den “Heilungsbeschluss” der Gemeindevertretung vom Mai 2022 aufzuheben, wurde in der ersten Dezember-Woche 2024 in den Fachausschüssen der Gemeindevertretung öffentlich diskutiert.
Verteidigt wurde der “Heilungsbeschluss” ausschließlich durch Bürgermeister Hennemann und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Schmöker:
Argumente von Schmöker:
Argumente von Hennemann:
Die Beschlussempfehlungen aus den Fachausschüssen zum KOMM,A-Antrag waren unterschiedlich: einmal Zustimmung, einmal Ablehnung. Zwei Fraktionen stimmten uneinheitlich ab.
Am 12. Dezember 2024 gab es im Parlament zum KOMM,A-Antrag eine längere Debatte. Zunächst begründete Koch den Antrag:
Ulrich Friedrich Koch (KOMM,A) – Redebeitrag
Im Jahr 2017 stellt Bürgermeister Martini zur Bebauung im Bereich östlich der Waldkolonie öffentlich fest: „Der rückwärtige Bereich vieler der 15 Grundstücke entspricht nicht dem Bebauungsplan“ aus dem Jahr 2007.
Im Jahr 2022 bringt Bürgermeister Hennemann die Idee einer „Heilung“ des B-Plans östlich der Waldkolonie als Beschlussvorlage ins Parlament ein. Die Gemeindevertretung beschließt mehrheitlich eine Änderung des B-Plans.
Mit unserem Antrag heute wollen wir, dass die Gemeindevertretung diesen Beschluss aufhebt.
I. Frage: Ist der B-Plan aus 2007 krank, rechtswidrig oder eine Zumutung?
Antwort: nein!
Zu den Gründen für seine Heilungsidee äußert Hennemann aktuell: Die geplante B-Planänderung zielt auf eine „Korrektur von Fehlern aus der Vergangenheit“. Mit welchen Fehlern der B-Plan aus dem Jahr 2007 behaftet ist, hat er nicht erläutert.
II. Frage: Aus welchen Gründen halten sich einige Grundstückseigner nicht an die Festsetzungen des weiterhin gültigen B-Plans?
Von Seiten der Grundstückseigner gibt es darauf keine öffentliche Antwort! Sie wurden wohl auch nicht danach gefragt. Es sind dies rein private Interessen!
III. Frage: Warum sollte der B-Plan geändert werden?
Antworten auf diese Frage wurden während den Fachausschuss-Beratungen der vergangenen Woche ausschließlich von Bürgermeister Hennemann und SPD-Fraktionsvorsitzenden Schmöker gegeben:
1. Antwort: Weil wir „die Rechtslage der Faktenlage anpassen“ sollten.
Diesen Grundsatz konsequent weitergedacht würde beispielsweise bedeuten: Weil viele sich nicht an die Rechtslage halten,
• heben wir alle Geschwindigkeitsbegrenzungen im fließenden Verkehr auf
• heben wir alle Parkverbote auf Bürgersteigen im ruhenden Verkehr auf
• lassen wir Schwarzarbeit auf dem Bau generell zu.
Laut Bürgermeister Hennemann hat die Gemeindeverwaltung bei ihren Besuchen vor Ort festgestellt, dass es nur auf 20% der Flächen Abweichungen vom B-Plan gibt. Rechtfertigt dieser geringe Anteil eine Änderung des B-Plans?
2. Antwort: Weil alle Betroffenen das wollen.
Vorausgesetzt diese Angabe stimmt, könnten für Einstimmigkeit Gruppenmechanismen bzw. Gruppenzwänge eine Rolle gespielt haben. Warum sollten die 80 %-Flächenanteilseigner, die sich an die Festsetzungen des B-Plans gehalten haben, eine Änderung mitfinanzieren? Spätestens wenn es zu Zahlungsaufforderungen kommt werden wir sehen, ob wirklich alle diese „Heilung“ wollen.
Vor etwa 15 Jahren mussten die Eigentümer mehrerer Schrebergärten zwischen Bickenbach und Alsbach nicht dem B-Plan entsprechenden Gartenlauben niederlegen. Wurden die Gartenlauben-Besitzer damals gefragt, was sie wollen?
3. Antwort: Weil die Anlieger alle Kosten für den geänderten B-Plan tragen wollen, können bzw. müssen.
Vor 15 Jahren hat man den Gartenlaubenbesitzer nicht gefragt, ob sie dazu bereit wären und ihnen diese „Heilung“smöglichkeit angeboten?
4. Antwort: Weil Anlieger der östlichen Waldkolonie die „Neiddebatte“ leid sind.
Eine Neiddebatte angefacht zu haben ist eine ungerechtfertigte Unterstellung gegenüber KOMM,A. Dies zielt wohl ab auf den aus einer Änderung des B-Plans resultierenden Wertgewinn der Grundstücke. Im Bereich der Waldkolonie beträgt der Quadratmeterpreis für Bauland aktuell etwa 500 bis 700 Euro, für Gartenland 80 Euro. Allein der letztgenannte Preis bedeutet mehr als das dreißigfache des Wertes, der den damaligen Eigentümern des Ackerlandes, auf dem heute die Ausgleichsflächen ausgewiesen sind, gezahlt worden ist.
Dass ein solcher Vorwurf von Sozialdemokraten ausgesprochen wird, spricht Bände.
5. Antwort: Weil Koch die Bagger rollen lassen möchte (zum Abriss von illegal errichteten Gartenhütten und Zäunen).
Der Gemeindevertreter Koch hat seine Sandkastenspiele bereits vor 65 Jahren hinter sich gelassen…
6. Antwort: Weil „keiner Wildschweine vor der Terrassentür haben möchte“.
Auf einigen Grundstücken wurden die Flächen, die im ursprünglichen B-Plan als Ausgleich für die Eingriffe in die Natur festgesetzt worden waren, eingezäunt und so den Gartenflächen dieser Grundstücke zugeschlagen. Eine Beseitigung der satzungswidrig errichteten Zäune würde den Wildschweinen keineswegs freien Zugang zu den Terrassen gewähren. Die illegalen Zäune müssten lediglich versetzt werden auf die Grenze zwischen Gartenland und Ausgleichsfläche.
Im Bundesland Hessen besteht eine Einfriedungspflicht für Grundstücke. Bürgermeister Hennemann ist diese Rechtlage bekannt. Trotzdem befeuert er solche Befürchtungen.
Sind die genannten Gründe akzeptable bzw. städtebaulich relevant, um den gültigen B-Plan aus 2007 zu ändern? Antwort: Nein!
Die Antworten zu 4, 5 und 6 sind reine Stimmungsmache und Demagogie.
IV. Frage: Was will KOMM,A mit dem vorliegenden Antrag erreichen?
1. Gleichbehandlung der Bürger gemäß dem Rechtsgrundsatz: Vor dem Gesetz (der Satzung) sind alle gleich
Die Hütten der Gartenlaubenbesitzer sind uns genauso viel wert, wie die Hütten der Waldkolonie-Anreiner.
2. Verhinderung eines sehr wahrscheinlich rechtswidrigen Satzungsbeschlusses
In dem in unserer schriftlichen Antragsbegründung zitierten Urteil des OVG Rheinland-Pfalz (1986) wird festgestellt, dass Festsetzungen in B-Plänen nur aus städtebaulichen Gründen erfolgen dürfen, nicht aus Gründen ausschließlich privater Interessen Einzelner.
3. Verhinderung unnötiger Mehrarbeit durch die Gemeindeverwaltung
Anlässlich der jährlichen Beratungen über den Gemeindehaushalt beklagt der Bürgermeister regelmäßig eine zu hohe Zahl von Über- bzw. Mehrarbeitsstunden und fehlendes Personal in der Gemeindeverwaltung. Da sollte man von unnötigen Arbeiten Abstand nehmen.
Fazit:
Die geplante Änderung des B-Plans östlich der Waldkolonie aus dem Jahr 2007 ist gleichbedeutend mit einer nachträgliche Legalisierung der Verstöße gegen den B-Plan.
Der Begriff „Heilung“ im Zusammenhang mit der Bauleitplanung östlich Waldkolonie ist ein Euphemismus (beschönigende, verhüllende, mildernde Umschreibung für ein anstößiges oder unangenehmes Wort).
Die gesamte Angelegenheit hat mittlerweile absurde Züge angenommen!
In der anschließenden Debatte gab es noch folgende Argumente:
Michael Krug (FDP):
Alexander Reinfeldt (CDU):
Tim Schmöker (SPD):
Christopher Schuldes (FDP):
Bürgermeister Markus Hennemann (SPD):
Elisabeth Jung (KOMM,A) – Redebeitrag
Mit meinem Beitrag möchte ich gerne etwas zur Klärung verschiedener Begriffe beitragen, die immer wieder in der Diskussion im Zusammenhang mit dem B-Plan
Östlich Waldkolonie verwendet werden.
Neiddebatte
Ich möchte gerne wissen, worauf man neidisch sein sollte:
In Bickenbach kann anscheinend Jede und Jeder tun und lassen, was er/sie will.
Darauf bin ich wirklich nicht neidisch. Darauf kann und will ich gerne verzichten.
Im Sinne von Transparenz und Respekt – auch vor der Meinung anderer!- möchte ich gerne Heiner Geissler zitieren: „ Alle an einen Tisch und alles auf den Tisch.“
Zum Thema „Heilung“:
Der Begriff bezeichnet den Prozess der Herstellung einer körperlichen oder seelischen Integrität aus einem Leiden, einer Krankheit durch Genesung. Umgangssprachlich wird „heilen“ verwendet im Sinne von: Der Schaden wird geheilt, in Ordnung gebracht.
Frage: Wer hat welchen Schaden?
Eine Lösung zu finden entspricht nicht einer Heilung!
Mit der Änderung des B-planes sollen „Fehler aus der Vergangenheit korrigiert werden“. (Information vom Bürgermeister im Haupt-, Finanz- und Sozialausschuss vom 5.12.2024)
Ich frage mich: Welche Fehler? Ist eine Ausgleichsfläche zu schaffen – als Ausgleich für Eingriffe in die Natur, möglichst nahe am Ort des Eingriffs – ist das ein Fehler? Ich halte das für vorausschauend, vorbildlich.
Das Argument: „Die Rechtslage an die Faktenlage anpassen“ ist eine völlige Verdrehung und entspricht nicht – zumindest meinem Verständnis von Recht und
Demokratie. Die Rechtslage wurde vom Gemeindeparlament beschlossen – ich vermute, dass man damals wohl gewusst hat, was man beschließen lässt und
beschließt. (Argumentation aus dem Planungs-, Landwirtschafts- und Umweltausschuss vom 3. 12.2024)
Und mit „Stimmungsmache“ zu argumentieren, wenn man nicht bereit ist, andere Argumente zu hören und ernst zu nehmen, halte ich für polemisch.
Und ein Letztes: Wenn Jede / Jeder tun und lassen kann, was er oder sie will, sehe ich die Grundprinzipien unserer Demokratie und auch einer sozialen und demokratischen Politik stark gefährdet.
Die Abstimmung in der Gemeindevertretung zum KOMM,A-Antrag brachte eine Zustimmung (13:9:2)
ja: KOMM,A (7), CDU (4), FDP (2)
nein: SPD (8), CDU (1)
Enthaltung: CDU (2)
Unvergessen ist für mich der Rückweg vom Ortstermin des Planungs-, Landwirtschafts- und Umweltausschusses an der Rückseite der Grundstücke östlich der Waldkolonie zum Rathaus im Jahr 2017. Bürgermeister Günter Martini (CDU) hatte den Verstoß einiger Grundstückseigner gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans zur Kenntnis nehmen müssen. Mehrere Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion schimpften lauthals über die Untätigkeit der Behörden im Allgemeinen und der Untätigkeit des damaligen Bürgermeisters Martini im Besonderen, um diesem offensichtlichen Rechtsbruch ein Ende zu bereiten.
Mit Beginn des Jahres 2018 wurde Markus Hennemann (SPD) neuer Bürgermeister Bickenbachs. Kaum ein halbes Jahr im Amt überraschte er Bickenbach mit seiner Idee einer “Heilung” des Bebauungsplans östlich der Waldkolonie. Statt endlich seine neuen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Vorgaben des B-Plans zu nutzen, präsentierte er einen Weg, wie man denjenigen, die gegen die Satzungsregeln verstoßen hatten, einen Rückbau der illegalen Bauten ersparen könnte. Das Mittel der Wahl war, die Satzung den Regelverstößen Einzelner anzupassen.
Und die Gemeindevertretung folgte dem vorgeschlagen Weg durch Beschluss im Mai 2022 mehrheitlich, ohne das neue Vorgehen gegenüber der Bürgerschaft der Gemeinde ausführlich zu begründen. Es wurde auch nicht erläutert, warum der B-Plan östlich der Waldkolonie aus dem Jahr 2007 schlecht war und dewegen unbedingt geändert werden musste…
Kritik an der Heilungsidee wurde mit dem Schlagwort “Neiddebatte” diskreditiert. Diesen Begriff habe ich öffentlich übrigens niemals von Anliegern der Waldkolonie gehört, sondern von zwei Kollegen – aus unterschiedlichen Fraktionen – der Bickenbacher Gemeindevertretung…
In dieser Angelegenheit hat nicht nur die Politik eine schlechte Figur gemacht. Bis heute fehlt mir eine klare Ansage, warum einige Grundstückseigner gegen die geltenden Satzungsregeln verstoßen haben. Deren private Motive mögen menschlich verständlich sein, können und dürfen aber nicht Anlass für eine Bebauungsplanänderung durch das Gemeindeparlament sein…
Kein Grundstückseigner hat öffentlich die Forderung nach einer B-Planänderung erhoben. Diesen Floh hat Hennemann ihnen mit seinem Vorschlag einer Satzungsänderung ins Ohr gesetzt. Für jetzt enttäuschte Hoffnungen trägt vor allem er die politische Verantwortung…
Der Heilungsvorschlag Hennemanns erinnert mich an den Versuch eines “Gesundbetens”. Diesen Heilungsvorschlag aber zu überhöhen als ehrbares politisches Vorgehen durch “Anpassung der Rechtslage an die Faktenlage” oder “Politikgestaltung nahe dem Bürger” ist Populismus, wenn das klare gesellschaftspolitische Ziel dafür nicht benannt wird. So bleiben diese hehren Slogans hohle Phrasen…
Bickenbach im Dezember 2024
Ulrich Friedrich Koch