Auf die Frage nach dem Sachstand B-Plan Östlich Waldkolonie anlässlich der Sitzung des Gemeindeparlamentes am 25. Januar 2024 antwortete Bürgermeister Hennemann: “Nichts Neues”.
Zum Hintergrund:
Entgegen den Vorgaben des Bebauungsplanes “Östlich der Waldkolonie” aus dem Jahr 2007 haben mehrere Eigner das als Ausgleichsfläche ausgewiesene hintere Drittel ihrer Grundstücke – hier auf dem Bild unten – ihrem Garten zugeschlagen bzw. anderweitig genutzt.
[Luftaufnahme der östlichen Bebauung der Waldkolonie, hier direkt oberhalb der Ackerflächen – Quelle: Google Earth, Dezember 2019.]
Statt Die Grundstücksinhaber zur Einhaltung des geltenden B-Plans anzuhalten versucht der Gemeindevorstand seit mehreren Jahren eine “Heilung” zu vereinbaren, die letztlich die satzungswidrige – illegale – Nutzung nachträglich legitimieren soll.
Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz (8 C 10964/05.OVG) bestärkt die Fraktion KOMM,A in ihren Bedenken, dass eine Änderung des Bebauungsplanes gemäß Beschluss ggf. nicht rechtskonform sein könnte:
“Festsetzungen in Bebauungsplänen dürfen nur aus städtebaulichen Gründen erfolgen (vgl. § 9 Abs. 1 BauGB). Solche städtebaulichen Gründe liegen dann nicht vor, wenn die Bauleitplanung nur im ausschließlich privaten Interesse Einzelner erfolgt, etwa um eine vom ursprünglichen Bebauungsplan abweichende Fehlentwicklung im privaten Interesse der betroffenen Bauherren zu legalisieren.” (vgl. OVG Rh-Pf, Urteil vom 5. März 1986, BauR 1986, 412)
Obwohl das Urteil von einem OVG eines anderen Bundeslandes gesprochen wurde, bezieht sich dieses maßgeblich auf das Baugesetzbuch. Demnach kann eine vom ursprünglichen Bebauungsplan abweichende Bebauung für die Gemeinde zwar Anlass für eine Planänderung sein. Gemäß Leitsatz des Urteils ist jedoch die Bebauungsplanänderung nur dann wirksam, wenn sie durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist.
Zum gesamten Themenkomplex äußerte sich KOMM,A auf dieser Website bereits im Dezember 2019 unter dem Titel: Bebauungsplan “Östlich der Waldkolonie” oder Durchsetzung geltenden Gemeinderechts sowie in zwei Beiträgen der letzten beiden Ausgaben der KOMM,A-Postille im Jahr 2023. Diese Beiträge werden im Folgenden wiedergegeben:
Postille 01-2023
Beitrag von Elisabeth Jung und Manfred Lippok
Im Jahr 2006 wies die Gemeinde Bickenbach ein neues Baugebiet aus: „Östlich der Waldkolonie“.
Es umfasste 15 Grundstücke (530qm-730qm groß), wovon durch die Umlegung 4 die Gemeinde bekam. Diese vier wurden öffentlich versteigert und erzielten etwa 520€ pro qm. Die neuen Grundbesitzer waren verpflichtet, eine direkt an ihr Baugrundstück angrenzende Ausgleichsfläche zu erwerben, diese zu bepflanzen und pflegen. Diese Flächen waren jeweils zwischen 300qm und 400qm groß und kosteten 2,50€ pro qm. Die vorgeschriebene Bepflanzung für diese Flächen sah 70% Streuobst und 30% einheimisches und standortgerechtes Gehölz vor. Die erworbene Ausgleichsfläche durfte auf keinen Fall eingezäunt werrden, lediglich das erworbene Baugrundstück. Dazu hatten sich die Eigentümer*innen vertraglich verpflichtet.
In den folgenden Jahren haben die meisten Erwerber ihre Häuser gebaut, Gärten angelegt, die Ausgleichsfläche dem Garten zugeschlagen und das Grundstück mitsamt der Ausgleichsfläche eingezäunt. Auf den Ausgleichsflächen findet man heute Teiche, Spielgeräte, Gartenhäuser, Rasenfläche. Aber keine Streuobstwiese! Zu dieser hatten sich die Eigentümer vertraglich verpflichtet!
Als dies unterlegenen Mitbietern und Bickenbachern auffiel, wurde die Missachtung des Bebauungsplans durch die Eigentümer zu einem Politikum:
Und was nun:
Durch die Legalisierung des Rechtsverstoßes erhalten die Grundstücke einen Wertzuwachs von ca. 150.000 bis 200.000€ pro Grundstück!
Der Bürgermeister möchte den alten Bebauungsplan “heilen” und dem Begehren der Grundstückseigentümer nachkommen. Dieses Vorgehen wird unterstützt von den Fraktionen von SPD und CDU trotz vieler offener Fragen und Zweifel an der Rechtsgültigkeit des Verfahrens. Selbst der damalige Bauamtsleiter der Gemeinde hat schon 2017 eine Änderung des Bebauungsplans in einer öffentlichen Stellungnahme als äußerst problematisch für die Gemeinde befunden, gar als absurd bezeichnet.
Zwei Anzeigen auf Immobilienportalen weisen auf die wahre Intention der Grundstückseigentümer*innen hin:
Beide Angebote in dem Gebiet „Östlich der Waldkolonie“. In den Angeboten findet sich nur die Gesamtgrundstücksfläche.
Durch die Legalisierung der Rechtsverstöße wird der Bevölkerung signalisiert: An einen gültigen Bebauungsplan brauchen wir uns nicht zu halten! Rechtsverstöße werden „geheilt“ – wenn wir uns nur dreist genug, fordernd und uneinsichtig geben. Leider kein Märchen, sondern Bickenbacher Realität.
KOMM,A verlangt weiter die Umsetzung des gültigen Bebauungsplans! Unterstützen Sie uns!
Postille 02-2023
Beitrag von Elisabeth Jung
Viele Leserinnen und Leser der letzten Postille sprachen uns auf unseren Artikel „Es war einmal ein Plan“ zu diesem Thema an. Über das Verfahren der Gemeinde, einen gültigen Bebauungsplan im Bereich „Östlich Waldkolonie“ zugunsten einer Gruppe von EigentümerInnen zu heilen, waren sie empört!
In verschiedenen öffentlichen Sitzungen hat der Bürgermeister behauptet, dass der Bebauungsplan überwiegend eingehalten wurde. Gehen Sie vorbei, überzeugen Sie sich selbst von der Wahrheit dieser Aussage! Der Bürgermeister empfiehlt, die Ausgleichsflächen zu Gartenland umwandeln zu lassen. Die Kosten für die Änderung des Bebauungsplans würden von den Eigentümer*innen getragen.
UND NUN?
Wir haben zur Klärung dieser Angelegenheit recherchiert und hatten einen Schriftverkehr mit den verantwortlichen Behörden.
Fassen wir zusammen:
Mit dieser Maßnahme will der Bürgermeister den Bebauungsplan offensichtlich „heilen“. So bemüht sich die Gemeinde, die Missachtung des gültigen Bebauungsplans durch die Eigentümer*innen der Grundstücke zu legalisieren! Das ist ein Rollentausch – Verursacher eines Schadens werden „belohnt“ (Wertzuwachs) und durch die Gemeinde, den Bürgermeister in der Missachtung gesetzlicher Vorgaben unterstützt!
STILLSCHWEIGEN?
Nein, in der Presse macht sich der Bürgermeister für sein Vorhaben stark und tritt der gerechtfertigten Kritik der Bürger*innen mit irreführenden Aussagen entgegen.
Federführend will die SPD-Fraktion die Ausgleichsfläche in Gartenland umwandeln und im Rahmen einer Bebauungsplanänderung entsprechend ausweisen lassen. Dieses Gartenland würde allerdings ebenfalls wie die Ausgleichsflächen gewissen Kriterien der Nutzung unterliegen.
Die Gemeindeverwaltung wird sich sicherlich trotz der immer wieder durch den Bürgermeister zitierten Überlastung auf ein weiteres umstrittenes Bebauungsplanverfahren freuen.
Leider ist immer noch kein gutes Ende für Bickenbach und die demokratischen Prozesse in der Gemeinde in Sicht. Am Ende profitieren die, die es sich leisten können, diesen Ablasshandel mit der Gemeinde einzugehen. Das ausgewiesene Gartenland obliegt am Ende eventuell nicht einmal der eigentlich auf den Bodenrichtwert basierenden Grundsteuer. Doppelt gespart!
Ob das „Märchen“ von der wundersamen Vermehrung der Grundstücksgrößen in der Waldkolonie nun zu einer „Unendlichen Geschichte“ wird? Wir bleiben kritisch und aufmerksam dabei und verlangen weiter die Umsetzung des gültigen Bebauungsplans.
WEHRET DEN ANFÄNGEN!
Zur Angelegenheit Bebauungsplan Östlich der Waldkolonie hatten wir in den letzten Jahren Fragen an den Bürgermeister gestellt:
Anfrage (03-2021.11) im November 2021
Anfrage (07-2022.04) im April 2022
Anfrage (09-2022.06) im Juni 2022
die alle weitgehend nichtssagend beantwortet worden sind…