Das Bauprojekt des Investors Schlossallee im Bickenbacher Ortszentrum, bekannt unter dem vom damaligen Bürgermeister Günter Martini (CDU) geprägten Begriff “Neue Mitte”, geht in diesenm Jahr seiner Fertigstellung entgegen. Seit dem Jahr 2015, als diese Projektplanung erstmals bekannt wurde, waren diese Planungen in der Bürgerschaft heftig umstritten. Am 3. Juni 2017 hatte sich eine Bürgerinitiative gegründet, die sich mit den Auswirkungen der geplanten massiven Bebauung beschäftigte und alternative Planungsideen entwickelte. Die für die Bauleitplanung verantwortliche Gemeindevertretung zeigte keinerlei Bereitschaft, mit der kritischen Bürgerschaft in einen konstruktiven Dialog zu treten, um tragfähige Kompromisse zu entwickeln. Deshalb hatte die Bürgerinitiative im Winter 2017/2018 über 750 Unterschriften gegen die massive Bebauung gesammelt und diese der Gemeindevertretung am 25. Januar 2018 übergeben.
In diesen Tagen plakatiert auch der Bickenbacher SPD-Ortsverein zur bevorstehenden Europawahl unter anderem mit dem Slogan “Gegen Hass und Hetze”.
Das fühlt sich gut an. Suggeriert es doch, dass man sich als Sozialdemokrat positiv abheben möchte von den Akteur:innen, die in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen anstelle von Argumenten lediglich Stimmungen produzieren.
Doch wer definiert, wer ernst zu nehmende Argumente liefert und wer niedere Emotionen schürt.
Da gibt es im Bickenbacher Ortsverein der SPD zwei Genossen, die damit ohne jeden Selbstzweifel großzügig jonglieren – und keiner aus dem Ortsverein widerspricht!
Im Verlauf der öffentlichen Sitzung des Planungs-, Landwirtschafts- und Umwelt-Ausschusses des Bickenbacher Gemeindeparlaments am 5. Juni 2018 wurde gegenüber Kritikern des Bauvorhabens ’Neue Mitte‘ der Vorwurf der ’Hetze‘ erhoben. Bürgermeister Hennemann (SPD) kritisierte generell eine ’Hetzkampagne‘ seitens der Gegner der ’Neuen Mitte‘. SPD-Fraktionsvorsitzender Schmöker äußerte, dass in der öffentlichen Debatte ’unverfroren und anonym gehetzt‘ werde. Gemeint waren die aktiven Mitarbeiter:innen der “Bürgerinitiative Ortsmitte Bickenbachs”.
Gemeindevertreter Ulrich Friedrich Koch gab dazu noch im Juni 2018 vor der Bickenbacher Gemeindevertretung folgende persönliche Erklärung ab:
Zur persönlichen Betroffenheit
Ich sehe mich persönlich in mehrfacher Weise direkt betroffen:
• als Gemeindevertreter
• als Vorsitzender der Fraktion KOMM, A
• als Sprecher der Wähler*innen-Initiative KOMM, A
• als aktiver Mitarbeiter in der Bürgerinitiative Ortsmitte Bickenbach
• als Bürger der Gemeinde Bickenbach.
In all diesen Funktionen habe ich mich an der Kritik der ’Neuen Mitte‘ intensiv beteiligt.Zum Begriff der Hetze
Zitat aus Wikipedia:
”Im gesellschaftlichen Sinn bezeichnet man als Hetze unsachliche und verunglimpfende Äußerungen zu dem Zweck, Hass gegen Personen oder Gruppen hervorzurufen, Ängste vor ihnen zu schüren, sie zu diffamieren oder zu dämonisieren.Ein historisch bedeutsames Beispiel ist die Judenhetze in der Zeit des Nationalsozialismus, die die schrittweise Ausgrenzung der Juden aus dem gesellschaftlichen Leben in Deutschland mit sorgfältig durchdachten Mitteln der Propaganda vorantrieb, z. B. durch die Zeitung Der Stürmer.
Bedeutend für den politischen Repressionsapparat der DDR war der Straftatbestand der so genannten ’Boykotthetze‘ bzw. ’staatsfeindlichen Hetze‘. Er wurde jedoch nicht nur zur Bekämpfung tatsächlicher Hetze angewandt, sondern zu dem Zweck missbraucht, Meinungsfreiheit zu unterdrücken, indem opponierende Äußerungen jedweder Art gegenüber der Politik der SED-Diktatur als ’Hetze‘ kriminalisiert und mit schweren Strafen belegt wurden.“
Zur Bedeutung des Vorwurfs
Der gemachte Vorwurf ist im politischen Diskurs äußerst schwerwiegend und unverzeihlich.
Darüber hinaus wird der Vorwurf in den Kontext einer Kampagne, also nicht als individuelles Versagen, sondern eines gezielten Vorgehens, gestellt und er wird als ’anonym‘, quasi aus dem Hinterhalt geführt, qualifiziert.
Hier wird eine öffentliche politische Auseinandersetzung – und ich beteilige mich aktiv und offen daran – herabgewürdigt und denunziert.
Statt sich mit ausschließlich sachlichen Argumenten in die Debatte einzubringen werden politisch Andersdenkende öffentlich beschädigt.
Das ist zutiefst undemokratisch und Sozialdemokraten unwürdig.
Wenn dann noch von einem Gemeindevertreter endlich die Einkehr der ’Öffentlichen Ruhe‘ erhofft wird, liegt ein tiefgreifendes Missverständnis von Demokratie vor.Zurückweisung
Ich weise den öffentlich erhobenen Vorwurf der ’Hetze‘ scharf und unter Protest zurück!
Gleichzeitig erwarte ich eine öffentliche Entschuldigung gegenüber Kritikern des Bauprojektes ’Neue Mitte‘!”
Bis heute gab es weder eine Zurücknahme noch eine Entschuldigung der beiden Bickenbacher Genossen für Ihre Entgleisung.
Das Problem für die von dem Vorwurf Betroffenen ist, dass dieser pauschal geäußert worden ist und Ross und Reiter nicht genannt wurden. Dagegen kann man sich nicht per Verleumdungsklage wehren.
Deshalb wirkt die Plakatierung der Bickenbacher SPD gegen Hass und Hetze im aktuellen Europa-Wahlkampf unglaubwürdig…
Bickenbach im Mai 2024
Ulrich Friedrich Koch