Die Wahlbeteiligung in Bickenbach bei der Kommunalwahl 2021 liegt mit 58,1 % um 6,8 % über der im Jahr 2016. Mit 2.734 Wähler:innen nehmen daran 416 Personen mehr teil als vor 5 Jahren.
Die als ‘fiktiv’ benannten Werte ergeben sich aus der Division der Personenstimmen durch die Zahl der maximal zu vergebenden 25 Stimmen pro Wähler:in.
Dies ist Voraussetzung, um die folgenden Feststellungen nachvollziehen zu können.
[Bitte beachten: Die meisten Werte wurden auf eine Nachkommastelle gerundet.]
Bei der Kommunalwahl in Bickenbach 2021 wird die SPD mit 33,96 % stärkste Fraktion in der neuen Gemeindevertretung, verliert gegenüber der Wahl vor 5 Jahren aber 2,2 % trotz eines Plus von 2.698 Personenstimmen. Fiktiv haben wenigstens 886 Wähler:innen der SPD und ihren Kandidat:innen Stimmen gegeben – das sind 108 mehr als 2016. Die SPD erreicht damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 70 Jahren.
Die CDU verliert bei 29,84 % Stimmanteilen gegenüber der Wahl vor 5 Jahren 7,3 % bei einem Minus von 508 Personenstimmen. Fiktiv haben wenigstens 779 Wähler:innen der CDU und ihren Kandidat:innen Stimmen gegeben – das sind 20 weniger als 2016.
Die FDP verliert bei 8,34 % Stimmanteilen gegenüber der Wahl vor 5 Jahren 3,1 % bei einem Minus von 669 Personenstimmen. Fiktiv haben wenigstens 218 Wähler:innen der FDP und ihren Kandidat:innen Stimmen gegeben – das sind 26 weniger als 2016.
KOMM,A gewinnt bei 27,86 % Stimmenanteilen gegenüber der Wahl vor 5 Jahren 12,6 % bei einem Plus von 9.938 Personenstimmen. Fiktiv haben wenigstens 727 Wähler:innen KOMM,A und ihren Kandidat:innen Stimmen gegeben, das sind 398 mehr als 2016. KOMM,A hat ihren Wählerstimmenanteil nahezu verdoppelt.
Nach Mandaten bzw. Sitzen in der neuen Gemeindevertretung bleibt deren Zahl mit 9 für die SPD gleich gegenüber der vergangenen Amtszeit.
Die CDU erreicht 7 Mandate, zwei weniger als zuvor.
Die FDP erreicht 2 Mandate, eins weniger als 2016.
KOMM,A erreicht 7 Mandate, drei mehr als in der abgelaufenen Amtszeit des Gemeindeparlaments.
Für die Bildung einer parlamentarischen Mehrheit in Bickenbach ist jede Fraktion mindestens auf die Stimmen aus einer anderen angewiesen, die FDP benötigt dafür Stimmen aus zwei anderen Fraktionen.
Betrachtet man die zeitgleich durchgeführte Kreistagswahl, ergibt sich für Bickenbach folgendes Bild:
SPD 28,1 % gegenüber 2016 – 2,1 %
CDU 27,9 % gegenüber 2016 – 2,5 %
FDP 7,0 % gegenüber 2016 – 1,1 %
Grüne 21,3 % gegenüber 2016 + 7,2 %
Linke 3,7 % gegenüber 2016 + 0,2 %
AfD 5,0 % gegenüber 2016 – 6,3 %
Dies bedeutet im Vergleich zur Gemeindewahl
Der Vergleich der Gemeindewahlen 2021 von Kreis und Gemeinde zeigt folgende Unterschiede:
Prozentual erreicht die SPD für Bickenbach gegenüber ihrem Kreiswahlergebnis + 5,9 %, die CDU + 1,9 % und die FDP + 1,3 %. KOMM,A erreicht in Bickenbach 6,6 % Wählerstimmenanteile mehr als die Kreis-Grünen. Dabei ist zu beachten, dass für den Kreistag 11 Parteien und Wählerverbindungen angetreten sind, zur Wahl der Bickenbacher Gemeindevertretung nur 4.
Vorbemerkung:
Gegenüber 2016 haben sich saldiert 416 Personen mehr an der Wahl beteiligt. Mangels genauerer Daten bzw. fehlender Wähler:innenbefragung kann über deren Wahlverhalten sowie über die Zu- und Abgänge der leider großen Gruppe der Nicht-Wähler (knapp 42 %) nur spekuliert werden.
Ebenso fehlen Anhaltspunkte für Woher und Wohin der Wähler:innen, die bei der Kreistagswahl Parteien gewählt haben, die in Bickenbach nicht angetreten sind.
Hier wäre v.a. von Interesse nach den Bickenbacher Präferenzen der 5 % AfD-Wähler:innen zur Kreistagswahl.
Bekannt ist, dass viele Wähler:innen
Die absoluten Personenstimmen dürfen nicht überbewertet werden, speziell bei den Listen, die weniger als 25 Kandidat:innen aufgestellt hatten, in Bickenbach also KOMM,A und FDP. Eine Listenstimme für KOMM,A mit ihren 22 Kandidat:innen wirkt sich beispielsweise so aus, dass zunächst 22 Stimmen jeweils auf eine Kandidat:in entfallen. Die verbleibenden 3 Stimmen entfallen auf die ersten drei Listenplätze. Daraus folgt, dass die erste drei Kandidat:innen in diesem Fall jeweils zwei Personenstimmen erhalten, ohne dass daraus eine persönliche Präferenz herausgelesen werden kann.
Bewertung des Wahlergebnisses:
Ganz zweifelsohne hat KOMM,A mit einer Steigerung ihres Wähler:innenstimmenanteils um 12,6 % ein außerordentlich gutes Wahlergebnis erzielt.
Seit 1972 ist ein solcher Sprung in Bickenbach lediglich der CDU bei der Wahl 1997 mit einem Zugewinn um 13,3 % einmal gelungen, sicher als Folge der Übernahme des Bürgermeisteramtes durch ihren Kandidaten Günter Martini im Jahr 1994. Damals hatten wie heute alle konkurrierenden Parteien leichte bis starke Stimmverluste hinnehmen müssen.
Die Wahl von Markus Hennemann in das Bürgermeisteramt Ende 2017 hat der SPD keinen Stimmenzuwachs bei der folgenden Kommunalwahl jetzt 2021 beschert. Im Gegenteil: Die SPD verlor 2,2 % ihrer Stimmen und erzielte ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis in Bickenbach.
Die Stimmenverluste von CDU und FDP diesmal kamen eher nicht der SPD als Partei des Bürgermeisters zugute. Unabhängig von möglichen Wählerwanderungen hat saldiert allein KOMM,A hinzugewonnen. Daher wurde KOMM,A in der Presseberichterstattung auch als ′Wahlsieger’ proklamiert, obwohl KOMM,A weiterhin ′nur’ drittstärkste Fraktion geblieben ist.
Betrachtet man sich die absoluten Zahlen der Wähler:innen, die den Parteien wenigstens eine Personenstimme gegeben haben (fiktive Zahl der Wähler:innen), hat die SPD gegenüber 2016 eine Zugewinn von gut einem Achtel errungen, CDU und FDP haben geringe Verluste hinnehmen müssen. KOMM,A hingegen hat ihren Wert mehr als verdoppelt. [Bei dieser Bilanz ist zu berücksichtigen, dass ja auch die Zahl der Wähler:innen – real – um über 400 Personen zugenommen hat.]
Für die Ergebnisse unserer Konkurrenz bieten sich folgende Erklärungsansätze an:
Die SPD lebt von ihrer in Bickenbach immer noch sehr hohen Stammwählerschaft und trotzt so dem überregional negativen Trend. Deren Potenzial schmilzt – mit kleinen gegenläufigen Ausreißern – stetig von 1972 über 65 % auf aktuell gerade noch 34 %. Der Amtsbonus von Bürgermeister Hennemann hat diesen Trend möglicherweise verlangsamt.
Die CDU leidet aktuell durchaus an ihrer bundesweiten Schwäche durch verschiedene Anlässe: ′Götterdämmerung’ von Kanzlerin Merkel, unklare Nachfolge, Impf- und Testdesaster im Kampf gegen Corona, Maskenskandal u.a.m. Es gibt aber auch Indizien für kommunale-interne Probleme: Der Spitzenkandidat wird beim Kumulieren deutlich heruntergestuft, der seitherige Fraktionsvorsitzende wird schon bei der Listenaufstellung abgewertet, die Listenreihenfolge wird deutlich durcheinander gewirbelt. Es gibt keinen Bürgermeister-Amtsbonus mehr.
Die FDP verfügt in Bickenbach über eine verlässliche Stammwählerschaft. Deren Volumen liegt aber klar unter ihrem Spitzenwahlergebnis von 2016. Die Kräfteverhältnisse wurden zurechtgerückt.
Nach dem von unseren Wählerinnen und Wählern erhaltenen Feed Back haben wir weit über unser klassisches Wählerpotenzial hinaus aus allen politischen Lagern der Gemeindevertretung Stimmen gewinnen können. Dies ist im Wesentlichen aus kommunalpolitischen Erwägungen motiviert. KOMM,A ist parteipolitisch ungebunden und tritt ihrerseits nur zu Kommunalwahlen an. Selbst unterstellt, alle Grünen-Wähler:innen hätten für die Gemeindevertretung KOMM,A gewählt, liegt das KOMM,A-Wahlergebnis deutlich über dem Ergebnis der Grünen in Bickenbach zur Kreistagswahl.
Für das gute Abschneiden von KOMM,A sehe ich v.a. zwei Ursachen:
Die Auseinandersetzung um das Schlossallee-Projekt, der sogenannten ′Neuen Mitte’, und in diesem Zusammenhang um eine gute Bauleitplanung für die Bickenbacher Ortsmitte war wahlentscheidend. Die Verweigerung einer umfassenden Bürgerbeteiligung, die Unterlassung, alternative Planungs- Bebauungskonzepte vorzustellen, das Beharren auf dem alten Konzept auch nach der verlorenen Normenkontrollklage, die Ignoranz gegenüber 750 Bickenbacher Bürger:innen, die sich in einem Appell im Winter 2017/2018 für ein Planungs-Moratorium ausgesprochen hatten und das Wegwischen nahezu aller Einwendungen aus der Bürgerschaft bei den mittlerweile drei diesbezüglichen Offenlegungsverfahren durch die drei etablierten Parteien in Bickenbach hat zu einer Abkehr vieler ihrer Wähler:innen geführt. Nicht von ungefähr entspricht die Zahl unserer Wähler:innen ziemlich genau der Zahl der Unterstützer:innen des Appells.
Sehr frühzeitig hat sich KOMM,A um die Sammlung derjenigen Bürger:innen bemüht, die mit dem Wirken der traditionellen Parteien in Bickenbach nicht – mehr – einverstanden sind. Dabei war lange Zeit offen, ob dies unter dem Label ′KOMM,A’ erfolgen sollte oder ob eine neue Wähler:innen-Verbindung aus der Taufe gehoben werden könnte. Zwar wurde diese Frage letztlich pragmatisch zugunsten von KOMM,A entschieden, hat uns aber gerade wegen dieser Offenheit viel Sympathie gebracht.
Was von diesen Motiven letztlich schwerer gewogen hat, ist nebensächlich. KOMM,A muss in den nächsten Jahren zeigen, dass sie das in sie gesetzte Vertrauen auch verdient.
Wir danke allen, die uns diesmal ihr Vertrauen geschenkt haben!
Bickenbach, den 17. März 2021
Ulrich Friedrich Koch
Nachlese der Bickenbacher Parteien zur Kommunalwahl im Bergsträße
am 24.03.2021
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