Die Bundeswehr möchte in den nächsten Jahren ihr Logistikzentrum in der Major-Karl-Plagge-Kaserne westlich der Bundesstraße 3 im Wald zischen Eberstadt und Bickenbach sanieren, um- und ausbauen. Zur Realisierung dieses Bauvorhabens ist geplant, viele Hektar Bannwald innerhalb des Kasernengeländes zu roden.
KOMM,A hatte im Oktober 2024 vorgeschlagen, als Kommunalparlament eine Resolution gegen die Abholzung von Wald zu beschließen. Auf der Sitzung der Bickenbacher Gemeindevertretung am 12. Dezember 2024 wurde über diesen Antrag zum Bauvorhaben der Bundeswehr auf dem Gelände der Major-Karl-Plagge-Kaserne beraten.
Zum Hintergrund:
Major-Karl-Plagge-Kaserne
Die Major-Karl-Plagge-Kaserne am Standort Pfungstadt (Hessen) wurde Ende der 1930er Jahre als Munitionsanstalt (Muna) errichtet. Seit Nutzung durch die Bundeswehr im Jahr 1955 wurde die Infrastruktur sukzessiv bis Ende der 1990er Jahre an den Bedarfen der untergebrachten Dienststellen ausgerichtet. Das Gelände der Kaserne ist im Regionalplan Südhessen als „Siedlung Bestand“ festgeschrieben. Die südlich angrenzenden Frei- und Waldflächen sind als Vorranggebiete „Bund“, „Forst“ und „Regionaler Grünzug“ und teilweise als „Vorbehaltsgebiet für Natur und Landschaft“ ausgewiesen (Regionalplan Südhessen, RPDA 2011). Die Hauptfunktion der Kaserne ist die Lagerung und Instandsetzung von Bundeswehrmaterialien als Bundeswehrdepot Süd und Materiallager Pfungstadt sowie von Sanitätsmaterial als Versorgungsinstandsetzungszentrum (VIZ) und Sanitätsstaffel Sanitätsmaterialversorgung Einsatz Pfungstadt. Aufgrund ihrer Funktion wurde die Major-Karl-Plagge-Kaserne für den deutschen Beitrag im Rahmen des Projekts „Network of LogHubs in Europe and Support to Operations (PESCO)“ ausgewählt.
[ Quelle: Website der Stadt Darmstadt, Erläuterung zu den öffentlich im August 2024 ausgelegten Beratungsunterlagen zum Bauvorhaben Major-Karl-Plagge-Kaserne (Auszug) ]
Bauvorhaben auf dem Gelände der Major-Karl-Plagge-Kaserne
Die Major-Karl-Plagge Kaserne (MKPK) soll grundlegend neugestaltet, alle Ver- und Entsorgungseinrichtungen, Verkehrsanlagen sowie die logistische Infrastruktur voraussichtlich bis zum Jahre 2033 gänzlich erneuert werden.
Das Vorhaben begründet sich im Zuge der Auswahl der MKPK auf übergeordneter Ebene für den deutschen Beitrag im Rahmen des europäischen PESCO (Permanent Structured Cooperation) Projekts „Network of LogHubs in Europe and Support to Operations“.
Zu diesem Zweck und für die Unterbringung der stationierten Dienststellen wird in der MKPK eine funktionale, moderne, zukunftsorientierte und nachhaltige „ortsfeste logistische Lagereinrichtung“ unter anderem in der Funktion als DEU LogHub entstehen.
[ aus: Waldrechtlicher Fachbeitrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Sparte Bundesforst (Auszug), Teil der im September 2024 durch die Gemeinde Bickenbach öffentlich bekannt gemachten Beratungsunterlagen ]
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
Bundeswehr will 35 Hektar Bannwald roden – Ausgerechnet im Rhein-Maingebiet dem Hot Spot der Waldschäden
[ Überschrift der Öffentlichen Stellungnahme der Schutzgemeinschaft im September 2024 zum Bauvorhaben ]
Bannwald
In Hessen ist ein Bannwald ein Wald, der wegen seiner Lage, flächenmäßigen Ausdehnung und seiner außergewöhnlichen Bedeutung für Wasserhaushalt, Klima und Luftreinigung in seiner Flächensubstanz erhalten werden muss und deshalb nur in Ausnahmefällen gerodet werden darf. Häufig handelt es sich um Wälder in Verdichtungsräumen oder in waldarmen Gebieten. Geeignete Waldflächen werden durch die Regionalplanung als Bannwald ausgewiesen und durch Rechtsverordnung der Regierungspräsidien als obere Forstbehörden zu Bannwald erklärt.
[ Definition aus Wikipedia ]
Redebeitrag, vorgetragen von Ulrich Friedrich Koch
Ende der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts hatte sich die Gemeindevertretung mit der Ausweisung von Flächen im Bickenbacher Wald befasst, die als „Bannwald“ unter besonderen Schutz gestellt werden sollten. 1999 hat dann das Regierungspräsidium Darmstadt die mit der Gemeinde so abgestimmten Flächen unter besonderen Schutz gestellt.
In der Zwischenzeit gab es aus der Perspektive der Gemeinde etliche Konfliktpunkte mit dem besonderen Schutzschild, unter dem Bannwaldflächen stehen:
Derzeit beabsichtigt die Bundeswehr / die Bundesrepublik Deutschland den Umbau der Major-Karl-Plagge-Kaserne durch ein neues Liegenschaftskonzept. Voraussetzung für die Realisierung ist die Löschung von ca. 35 ha ausgewiesenem Bannwald.
Die Rodung einer so großen Waldfläche hier im hessischen Ried ist ein Skandal !
Nach ersten Erkenntnissen über die Umbaupläne der Bundeswehr als Bauherrin gibt es bisher für das Vorhaben
Südhessen kann sich keine Waldrodungen mehr leisten! Der Darmstädter Westwald ist in einem katastrophalen Zustand, gut zu sehen entlang der Eisenbahnstrecke zwischen Darmstadt und Bickenbach. Dem Darmstädter Ostwald wird für die nahe Zukunft das gleiche Schicksal prophezeit. Der Pfungstädter Klingsackertanne geht es ähnlich schlecht. Auch dies ist für Arbeitswegpendler mit dem Fahrrad von und nach Darmstadt arbeitstäglich erfahrbar.
Im Darmstädter Echo vom 9. Oktober 2024 werden unter dem Titel „Wald fällt als Klimaanlage aus“ anlässlich der Vorstellung der Bundeswaldinventur zitiert:
Cem Özdemir (Grüne), Bundeslandwirtschaftsminister: „Das grüne Herz unseres Landes gerät aus dem Takt. Das ist ungefähr so, als wenn die Klimaanlage statt zu kühlen heizen würde.“
Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes: „Auch die bundesweiten Messdaten zeigen nun schwarz auf weiß: Wir erleben ein neues Waldsterben. Die Erzählung vom deutschen Wald als Kohlestoffspeicher ist damit passé.
In der Ausgabe des Darmstädter Echo vom 15. November 2024 unter dem Titel „Zustand katastrophal“ anlässlich der Vorstellung des Waldzustandsberichtes 2024 kommentieren:
Ingmar Jung (CDU), Forstminister: „Der Zustand des hessischen Waldes ist auch in diesem Jahr an vielen Orten in unserem Land sichtbar schlecht.“
Ulrike Talkner, Abteilungsleiterin der Umweldkontrolle an der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt hob den Wald der Rhein-Main-Ebene als „Sorgenkind“ hervor: „Da kann von richtigem Waldbestand teilweise gar keine Rede sein.“
[ Im Redebeitrag wurde lediglich auf die Presseberichterstattung hingewiesen und nicht wörtlich zitiert, da die fraglichen Artikel den Fraktionen der Gemeindevertretung bereits in der Woche vor der Gemeindevertretung zur Verfügung gestellt worden waren. ]
Im September 2024 waren die Unterlagen zum Bauvorhaben auf dem Gelände der Plagge-Kaserne seitens der Bickenbacher Gemeindeverwaltung öffentlich ausgelegt. Weder der Gemeindevorstand noch das Parlament haben sich seither als Anliegergemeinde damit befasst.
Die vorliegende Resolution zu beschließen ist das Minimum an notwendiger Reaktion. Bickenbach hätte stärker intervenieren müssen !
Zur Debatte in der Gemeindevertretung gab es folgende Beiträge:
Michael Krug (FDP) betonte die Wichtigkeit, als Bundesrepublik Deutschland verteidigungsfähig zu werden bzw. zu bleiben. Am KOMM,A-Antrag kritisierte er, dass die “Gegenseite” Bundeswehr darin nicht zu Wort gekommen sei.
Thorsten Schröder (SPD) begründete die Ablehnung des Antrages durch die SPD mit der vorgenommenen Abwägung der Sicherheitslage in Europa im Verhältnis zu “den paar Hektar Wald”-verlust, die das Bauvorhaben der Bundeswehr bedeute.
Alexander Reinfeldt (CDU) erklärt die Ablehnung des Antrages durch die CDU mit der fehlenden Möglichkeit, die Grundannahmen des vorgeschlagenen Resolutionstextes überprüfen zu können.
Bürgermeister Markus Hennemann (SPD) moniert unklare Angaben in der Resolution über den tatsächlichen Flächenverlust Hektar) an Bannwald infolge des Bauvorhabens der Bundeswehr. Augenscheinlich sei das Interesse der Öffentlichkeit an dem drohenden Waldverlust nicht sehr ausgeprägt, wie man an dem Sachverhalt ermessen könne, dass zur öffentlichen Erörterung des Bauvorhabens beim Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen in Darmstadt am 10. Dezember 2024 nur eine Person erschienen sei.
[ siehe hierzu den Bericht von Patrik Ebbers am Ende dieses Beitrages. ]
Tim Schmöker (SPD) verwies darauf, dass seiner Kenntnis nach bei der Umsetzung der Baupläne durch die Bundeswehr alle Gesetze eingehalten worden seien. Bei der Abwägung zwischen verteidigungspolitischen und umweltpolitischen Aspekten habe man in der Bickenbacher SPD der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland den höheren Stellewert eingeräumt.
Ulrich Friedrich Koch (KOMM,A)
Abstimmung
Der KOMM,A-Antrag, die Resolution zum Bauvorhaben der Bundeswehr auf dem Gelände der Plagge-Kaserne wurde abgelehnt (7:16:0)
ja: KOMM,A (7) , nein: SPD (8), CDU (6), FDP (2)
Bericht von Patrik Ebbers über seine Teilnahme am
2. öffentlichen Erörterungstermin zur Baumaßnahme „Umbau zur logistischen Lagereinrichtung (oLE) der Major-Karl-Plagge-Kaserne in Pfungstadt mit Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen, Niederlassung Süd, Darmstadt am 10.12.2024
Farce, die
Substantiv, feminin
Angelegenheit, bei der die vorgegebene Absicht, das vorgegebene Ziel nicht mehr ernst zu nehmen ist (und nur noch lächerlich gemacht, verhöhnt wird); lächerliche Karikatur auf ein bestimmtes Ereignis
(Dudeneintrag)
Ich habe am Dienstag KOMM,A beim 2. Erörterungstermin zum geplanten Bauvorhaben der Bundeswehr und der damit verbundenen Rodung großer Flächen des Bannwaldes in unserer Region vertreten. Ich war der einzige Teilnehmer aus der gesamten Region!!!
Mir gegenüber befand sich ein Podium mit acht Experten wie u.a. dem Revierförster, Vertretern der Bundeswehr und des Bauträgers. Ein Moderator, eine Stenotypistin und ein Versammlungsleiter plus verschiedene Mitarbeiter kamen dazu, so dass sich insgesamt 16 Personen liebevoll mit meinen respektive unseren Einwänden gewillt waren zu beschäftigen. Eine Tonaufzeichnung erfolgte ebenso.
Zunächst wurde ich vom Moderator der Veranstaltung freundlich begrüßt. Die Vertreter auf dem Podium wurden mir einzeln mit Namen und Funktion vorgestellt.
Anschließend verlas ein Vertreter der Bundeswehr eine mehrseitige Begründung zur strategischen Bedeutung des Standortes zwischen Pfungstadt und Bickenbach für die “Erlangung der Verteidigungsfähigkeit”.
Ich bin jetzt 64 Jahre alt, kann mich aber an keine Situation erinnern, die ich jemals ähnlich absurd empfunden habe. Anlass der Veranstaltung war die Erörterung mit Bürgern, die Bedenken gegen eine massive Waldrodung für die Erweiterung einer Bundeswehrkaserne in unserer unmittelbaren Nachbarschaft haben.
Sollte dies wirklich Niemanden interessieren? Einerseits deutete das große Aufgebot an Experten und Sachverständigen auf eine gut vorbereitete Veranstaltung hin. Andererseits war die Raumwahl mit höchstens 15 Zuschauerplätzen nicht für einen zu erwartenden „Massenprotest“ ausgelegt.
Ich selber bin erst einen Tag vorher durch eine kleine amtliche Bekanntmachung unseres Bürgermeistes in der Zeitung auf den Termin aufmerksam geworden, die mir durch die KOMM,A Fraktion weitergeleitet wurde. Wurde also absichtlich wenig Wind um einen Termin gemacht, der bei einem solchen Eingriff in die Natur gesetzlich vorgeschriebenen ist? Zur besonderen Bedeutung des Bannwaldes wird hier an anderer Stelle berichtet werden.
Wie hätten sie sich in einer solchen Situation verhalten?
Als mir das Wort erteilt wurde, habe ich mich verantwortlich gefühlt. Verantwortlich, für Diejenigen zu sprechen, die den Wald in unserer Nähe nicht militärischen Träumereien opfern wollen. Verantwortlich für meinen Sohn und die Kinder, mit denen ich arbeiten darf, die eine lebenswerte Zukunft verdienen und nicht Ziel eines möglichen Angriffs werden wollen, wenn in unserer direkten Nachbarschaft ein europaweit wichtiger Umschlagplatz für moderne Kriegswaffen entsteht. Ich habe daher aus sehr persönlicher Sicht meine Bedenken geäußert. Dabei habe ich mich nicht auf die ausufernd dargestellte militärische Sichtweise eingelassen. Mir war wohl bewusst, dass es spätestens seit der Sprechweise unseres Verteidigungsministers Pistorius (SPD), der nicht mehr von „Verteidigungsfähigkeit“ wie bei der mir verlesenen Begründung, sondern von „Kriegsfähigkeit“ spricht, scheinbar eine gesellschaftliche Mehrheit gibt, die die Vorhaben der Bundeswehr nicht verurteilt. Das habe ich genauso geäußert und lediglich konstatiert, dass es auch andere Haltungen zur Aufrüstung gibt und ich die Ansicht dieser Menschen vertrete. Sehr schnell wurde klar, dass dies auch nicht erörtert werden sollte, obwohl genau damit ja die geplante Standorterweiterung ausführlich begründet wurde.
So blieb nur der Gegenstand der Bannwaldrodung an sich, der zur Disposition stand. Hier waren von Seiten des Veranstalters großformatige Fotos an Stellwänden ausgestellt, die eine steppenartige Landschaft zeigten. Meine eingangs schelmisch geäußerte Verwunderung, warum in dem besonders zu schützenden Bannwald noch keine Bäume besetzt worden sind, wurde nun mit dem Hinweis auf die Bilder und der Frage „welche Bäume?“ verschmitzt lächelnd beantwortet.
Die besondere ökologische Verantwortung des Bundes wurde ins Feld geführt und der Hinweis, dass angesichts des derzeit schlechten Zustandes des Waldes im Rodungsabschnitt die vorgeschriebene Ausgleichsfläche höherwertiger sei und damit dem Klima zugutekäme.
Soviel hehrem Ansinnen des Heeres, was den Klimaschutz betrifft, hatte ich natürlich argumentativ wenig entgegen zu setzen und äußerte daher mein volles Vertrauen in die geplanten Maßnahmen zur Widerherstellung der zerstörten Natur an anderer Stelle.
Der Veranstaltungsleiter hat mich abschließend dann noch über den ersten Erörterungstermin informiert und dass dieser “sehr sachlich in einem guten Austausch” verlaufen sei. Anscheinend waren alle froh und erleichtert, dass auch bei diesem Termin kein „Aufstand der Ökoterroristen“ geprobt wurde. Vielleicht hätte ich kritischer nachhaken sollen? Die mir präsentierten Fakten in Frage stellen? Mich auf eine Grundsatzdiskussion über die angebliche neue Bedrohungslage einlassen sollen? Was hätten sie getan?
Es war schlicht eine Farce, einer Veranstaltung quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit beizuwohnen. Umso richtiger finde ich, dass KOMM,A in der Gemeindevertretung mit einem Antrag Haltung gezeigt hat, auch wenn klar war, dass er weder eine Mehrheit findet, noch auf besonderes Verständnis bei CDU, SPD und FDP stoßen wird. Die militärischen Parolen zeigen bei der Mehrheit eben schon ihre Wirkung. Aber ist es wirklich die Mehrheit? Wo sind die Mutigen?