Wie einige Male in früheren Jahren – Volkstrauertag 2022 – sollen hier Beiträge zum Volkstrauertag dokumentiert werden.
Im Folgenden dokumentieren wir den Beitrag der Evangelischen Kirchengemeinde:
Christoph Kahlert:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
beim Blick in die Welt sehen wir lauter kriegerische Konflikte, lauter Elend und Leid. Zu groß ist die Flut an Bildern und Nachrichten, dass wir noch empfinden könnten, was das für die einzelnen Menschen bedeutet, die vom Krieg betroffen sind. Am kommenden Mittwoch wird die Ukraine bereits den 1000. Tag von Russland angegriffen. Seitdem stellen sich für die Ukrainer existentielle Fragen:
Selbst zur Waffe greifen, weil andere Menschen mit Waffen das eigene Land angreifen?
Lilly: Einer von Ihnen ist der 34jährige Andrey
und er beantwortet die Frage so:
Lina: „Ich bin Christ und Pazifist. Ich glaube an Gott und ich bete zu Gott. Ich lese die Bibel, ich habe sie mir auf mein Smartphone geladen. Jeden Tag bete ich um Frieden in der ganzen Welt. Ich kann keine Menschen töten, weil das Gewissen und die Gottesfurcht es mir unwiderstehlich gebieten. In der Heiligen Bibel steht das Gebot ‘Du sollst nicht töten’, und es heißt auch, dass man Gott fürchten und die Gebote befolgen muss. Wie kann man einen Menschen töten, wie kann man damit leben? Ich kann es nicht.“
[Quelle: https://www.forum18.org/archive.php?article_id=2830]
Lilly: Andrey hat einen Antrag gestellt, er wollte aus Gewissensgründen einen zivilen Ersatzdienst leisten, zum Beispiel beim Roten Kreuz, das freiwillige Helfer sucht. Doch es gibt durch den russischen Angriffskrieg kein Verfahren, dass die Umgehung des Kriegsdienstes zulässt. So wurde auch Andrey auf der Straße angehalten und hat den Befehl bekommen, sich bei der Armee zu melden. Dort dient er seit mittlerweile 2 Jahren.
Christoph Kahlert:
„Nie wieder ist jetzt“
Das ist das Motto des Gedenkens und Erinnerns. Und das heißt doch, jetzt ist die Zeit. Jetzt ist die Zeit zum Aktiv-werden.
Erinnern kann längst nicht mehr nur ein passives Erinnern sein: Ich erinnere mich daran, früher sind schlimme Dinge geschehen, es gab Krieg und Opfer und großes Leid.
Erinnern muss doch ein aktives Erinnern sein: Ich komme ins Handeln, ich tue aktiv etwas dagegen, dass sich Krieg in unserem Land und auch weltweit nicht wiederholt – oder zumindest eingedämmt und begrenzt wird.
Was kann das also konkret sein – ein aktives Erinnern? Ich habe es im Gottesdienst schon erwähnt:
Auseinandersetzungen beginnen immer im Kopf: Wie denke ich über jemanden? Sie beginnen damit, dass mir andere Menschen egal sind. Dass es mich nicht interessiert, wie es ihnen geht. Es geht weiter, dass ich irgendwann andere Menschen verurteile, ja sogar verachte, wie sie denken oder handeln, was sie tun oder eben nicht. Dass ich mich über sie erhebe – sie vielleicht irgendwann gar nicht mehr als gleichberechtigte Menschen ansehe.
Den Juden und anderen Opfern der Nazis wurde das Menschsein abgesprochen.
Putin bezichtigt irrerweise die Ukrainer als Nazis.
Und Trump hat im Wahlkampf Migranten aus Südamerika als Tiere bezeichnet
Nie wieder ist jetzt!
Dann kann ein aktives Erinnern doch sein, politisch nicht die Parteien zu belohnen, die diese Verachtung der anderen zur Normalität machen, und genauso auch in unserem Alltag darauf zu achten, wie wir mit Andersdenkenden umgehen, wie wir zu ihnen und über sie sprechen, ja, selbst wie wir über sie denken.
Als zweites kann aktives Erinnern bedeuten in heutigen Kriegskonflikten versuchen, das Leid zu begrenzen. Sich um die Opfer zu kümmern – oder zumindest Organisationen zu unterstützen, die genau das tun. Finanziell – natürlich, Spenden sind dort dringend notwendig.
Aber es ist auch grundlegend unsere Entscheidung – unser aller Entscheidung – nämlich an der Wahlurne, bei der wir alle entscheiden können, welche politischen Ideen wir unterstützen:
Und, ein drittes: Aktives Erinnern kann auch sein, sich für die Menschen einzusetzen, die sich weigern, beim Krieg mitzumachen.
„Platz des Erinnerns und Gedenkens“ heißt dieser Platz seit einigen Jahren.
Wenn wir Bickenbacher also hier vorbeigehen oder vorbeifahren: Lassen Sie uns nicht nur an die Vergangenheit erinnern, dass Krieg früher einmal war. Sondern das Krieg auch heute das Leben von unzählbar vielen Menschen zerstört und Leid in so viele Familien bringt. Und wir ganz aktiv etwas dagegen tun können!
Dankeschön.
Friedensgebet der Konfirmanden
Gott, um Frieden bitten wir
Um Umkehr bitten wir
Um Freiheit zum Frieden bitten wir.
Wo du Gott, bist, da ist Freiheit.
Stärke unseren Mut
Unser Rückgrat
zur Kühnheit des Friedens.
Sei bei den Friedfertigen
Und den Verzagten
Bei den Heimatlosen
Und Verletzen
Berge die Toten
Richte die Gewalttätigen
Tröste die Trauernden
Und richte unsere eigenen Füße auf den Weg des Friedens.
Amen.